Dazu Schokoladeneis

Friedrich Ebert am 19. Januar 1919
auf dem Weg zur Wahl der
Nationalversammlung. 
Schlagsahne und Verfassung

So lautet der Titel eines so genannten "Tatsachenberichtes" über den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, den die "Revue-die Weltillustrierte" am 18. November 1950 veröffentlicht hat. Der Verfasser hieß Dr. Hans-Otto Meissner (Diplomat, freiberuflicher Redakteur und Schriftsteller, z. B. "Die Gefährtin des Teufels-Leben und Tod der Magda Goebbels"). Sein Vater war Leiter des Büros von Friedrich Ebert, später leitete er auch die Büros von Paul von Hindenburg und von Adolf Hitler. 

Die "Revue" erschien seit 1946 im Münchner Kindler- und Schiermeyer-Verlag, sie stand in Konkurrenz zum "stern" und erreichte ebenfalls eine Millionenauflage. Besonders beliebt waren die spannenden Fortsetzungsromane, die auch als Bücher erschienen. 1966 wurde der Titel an den Bauer-Verlag in Hamburg verkauft. 

Meissners so genannter Tatsachenbericht gehörte zu der Serie "So schnell schlägt Deutschlands Herz" und begann 1919 in Schwarzburg: "Zusammen mit dem Reichspräsidenten bewohnten wir einen Ableger des schönen Hotels ´Zum Weißen Hirschen´, nämlich die kleine, altmodische Holz-Villa ´Pauline´...Im ersten Stock wohnte der Reichspräsident, im zweiten Stock meine Eltern, während sich im Erdgeschoss ein Unteroffizier und zwölf Mann aufhielten." Die seien keine Dekoration gewesen, "denn es waren damals wirre und wilde Zeiten". 

Eines Tages kam der kleine Hans-Otto mit zerrissener Hose und zerrissenem Hemd nach Hause, sein Vater ließ seinem Sohn  keine Zeit zum Umziehen und seiner Frau keine Zeit, um die Wunden ihres Sohnes zu versorgen: "Zum Schämen ist später Zeit, jetzt soll er einen historischen Eindruck fürs ganze Leben bekommen"-und zwar in der Wohnung des Reichspräsidenten. 

Der Neunjährige stand daraufhin an der Tür und erkannte nichts Besonderes: "Nur ein würdiger Herr schlug einen Aktendeckel auf, legte ihn vor Friedrich Ebert hin, der etwas hineinschrieb, eine Weile auf das Blatt blickte und dann aufstand.  Daraufhin schüttelten die anderen Herren ihm und sich untereinander die Hände, ohne viel dabei zu sagen."

Auf der Treppe zur elterlichen Wohnung beschwerte sich der kleine Hans-Otto bei seinem Vater und bekam zur Antwort: "...der Reichspräsident hat soeben die Verfassung von Weimar unterschrieben." Darüber freute sich der Junge aber erst, als er von seinem Vater erfuhr, dass der 11. August von nun an schulfrei sein werde. 

Die nächste vorübergehende Enttäuschung erlebte der Neunjährige am Abend bei einem festlichen Essen im Hotel "Zum weißen Hirschen". Alle aßen als Nachtisch Schokoladeneis mit Schlagsahne. Hans-Otto bekam keins ab, bis der Reichspräsident zu ihm kam und ihn fragte, wie ihm Eis und Schlagsahne geschmeckt hätten. Als Friedrich Ebert erfuhr, dass der Junge leer ausgegangen war, rief er den Hoteldirektor.

"Fünf Minuten später saß ich wieder am Tisch, und zwar ganz alleine. Aber ein Gebirge von Eis und Sahne erhob sich vor mir. Indessen mir die Tropfen über das Kinn und den weißen Matrosenanzug hinabliefen, umstand mich die Reichsregierung mit volksverbundenem Lächeln", erinnerte sich Hans-Otto Meissner am 18. November 1950 in der "Revue-die Weltillustrierte" an diesen Abend, der für ihn doch noch ein gutes Ende nahm. 



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