Volksverhetzung?

So muss ein Flur aussehen, wenn
die deutsche Polizei zu Gast
gewesen ist. 
Aufregung über einen schlechten Text

Ich hingegen frage mich: Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen? Schließlich ist der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch.

Mit dieser Einleitung hat sich Hengameh Yaghoobifah nach Meinung der Polizeigewerkschaften am 15. Juni in der "taz" strafbar gemacht. Sie stellten Strafantrag wegen Volksverhetzung. 

Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.


Auch diese Schlussfolgerung der Kolumnistin, die sich u. a. mit Medienästhetik beschäftigt, floss in die Strafanträge ein. "Satire darf fast alles", entgegnet darauf die taz-Chefredaktion. Kurt Tucholsky ist 1919 sogar noch weiter gegangen. Er beantwortete die Frage "Was darf Satire?" mit "Alles". 

Allerdings hätte dieser große Schriftsteller niemals solch einen Beitrag geschrieben. Denn Tucholsky beherrschte nicht nur die deutsche Sprache, er war auch ein messerscharfer Beobachter. Als solcher hätte er sicherlich auch die Behauptung, dass es unter den Polizistinnen und Polizisten einen "überdurchschnittlichen Anteil an autoritären Persönlichkeiten" gibt, anders verpackt. Der Beweis folgt sogleich.

Wie man sich als Bürger bei Kontaktaufnahme mit der Polizei 1924 gefühlt hat, beschrieb Tucholsky in seinem Zyklus "Zollschranke und Passkontrolle": "Aber gnade Gott, wenn der Einlaßheischende ein Fremder ist! Was sich dann abspielt, ist schwer zu schildern. Ein Fremder –? Dräuend richtet sich das Polizeiauge auf den Unglücklichen. Ein Fremder! Warum ein Fremder –? Was will der hier –? Ein Spion? Ein Spion. Ein Taschendieb? Alle Fremden sind Taschendiebe. Warum bleibt der Mann nicht zu Hause und nährt sich redlich? Aha! Das werden wir gleich haben – uns entgeht nichts! Und nun gehts los. Anmeldung, Abmeldung, Genehmigung, Erlaubnis, Verweigerung der Erlaubnis, Befristung der Genehmigung – kurz, das alte schöne Wort eines Wiener Bezirkskommissärs hat volle Gültigkeit: „Der Wiener hat im Ausland nichts zu suchen!“

Das war nicht nur trefflich formuliert, sondern auch treffend. Obwohl ich selbst Polizeigewalt erlebt habe, ist mir der Text von Tucholsky lieber als der von Hengameh Yaghoobifah. Vor der Staatsanwaltschaft wird sich die "taz"-Autorin allerdings nicht fürchten müssen. Denn die Strafanträge der Polizeigewerkschaften sind ähnlich misslungen...




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