Jetzt redet Gysi

Aller guten DDR-Dinge sind noch sieben

Wer Gregor Gysi in seine Talkshow einlädt, muss damit rechnen, dass irgendwann nur noch einer redet. Also ist auch Markus Lanz gestern Abend kaum noch zu Wort gekommen. Da das schon so war, hätte der Moderator gelegentlich aber auch mal eine Frage einstreuen können, die von Belang ist. 

Ich jedenfalls habe mich gewundert, als Gysi sagte, dass 30 Prozent der Bevölkerung jedes Vertrauen zur etablierten Politik verloren haben. Für mich klang das wie eine Verbesserung, nicht wie eine Verschlechterung. Seit ich politisch denken kann, winkten die meisten ab, wenn es um Politik ging. In meiner Familie waren Gespräche über Politik verpönt. "Das gibt nur Streit", pflegten meine Eltern zu sagen. 

Als mich trotzdem jemand dazu überreden konnte, in die SPD einzutreten, erfuhr ich schnell, dass man sich bestimmte Dinge nicht zuschulden kommen lassen durfte. Man durfte nicht zu jung sein, bis man 30 war. Mit 40 war man fast schon alt genug. Mit 60 war man leider schon zu alt. Denn die Posten waren längst verteilt. Geduldet wurde auf der Karriere-Leiter nur hin und wieder noch ein "nützlicher Idiot", der nachplapperte, was andere vorplapperten. 

Falsche Sprache und falsche Beweggründe erlebte ich nicht. Sondern das Peter-Prinzip. Jeder kletterte so hoch, bis er von seiner eigenen Unfähigkeit eingeholt wurde. Politiker wie Willy Brandt blieben deshalb Ausnahmeerscheinungen, die sich sogar noch von den eigenen Leuten verspotten lassen mussten. Als Helmut Schmidt sagte, dass jemand, der Visionen habe, zum Arzt müsse, meinte er eindeutig seinen Vorgänger. 

Ich hätte Gregor Gysi gefragt, wie er sich selbst im Bundestag vorgekommen ist, wenn er eine Rede hielt, obwohl ihm viele Abgeordnete gar nicht zuhörten. Dass die meisten Politikerinnen und Politiker sich nur selbst gern reden hören, wurde leider als Diskussionsthema nur gestreift. Gar nicht mehr gefragt wurde Gysi, als er sagte, dass man nach der Wiedervereinigung den Menschen in der DDR doch "10 Dinge hätte lassen können". Welche zehn Dinge?  

"Den Grünpfeil und das Ampelmännchen meine ich nicht", sagte Gregor Gysi. Zweimal ahnte man, was er sonst noch meinte. Die Gleichberechtigung der Frau und das Gesundheitswesen in staatlicher Hand. Danach war es wie bei jeder Talkshow. Man wechselte das Thema.

Mich jedenfalls würde es, wenn ich jenseits der Elbe zur Welt gekommen wäre, fuchsteufelswild machen, wenn heutzutage Politikerinnen und Politiker aus Westdeutschland dem DDR-Bildungssystem nachweinen. Das ohne Not abgeschafft worden ist. Bleiben noch sieben Dinge. 

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