Sorgenfalten

Landtagswahlkampf 1990: Albrecht
in Burgdorf, Kohl in Lehrte.
Foto: Heinz-Peter Tjaden 
Die "Bild"-Zeitung macht sich Sorgen um die SPD, der "Cicero" macht sich Sorgen um die SPD, sogar Sigmar Gabriel macht sich (noch) Sorgen um die SPD. Einige Redakteure hoffen, dass sich der SPD-Vorsitzende noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl in die Büsche von Goslar schlagen kann und dann als Harzer Roller in den Weiten des Gebirges verschwindet. Dort wird kein Feinkosthändler mehr nach ihm krähen, wie auch in Hannover, das laut einer ARD-Reportage einen Komplex hat. Was stimmt.

Selten gelingt es Reportern, die Stimmung in einer 500 000-Einwohner-Stadt, die Befindlichkeiten, die Stärken und Schwächen so einzufangen, wie das in dieser Reportage gelungen ist. Allein die laufenden Bilder sind beeindruckend, der Wechsel von Glasfassaden, die sich in den Himmel recken, zu Bürgerhäusern in einigen Vierteln der Stadt, die unglaubliche Mischung aus Erholungsgebieten und Zentren der Hektik.

Man traut seinen Augen nicht und traut sich hoffentlich immer mehr zu der Gewissheit, dass man als Hannoveraner in einer wunderschönen Stadt lebt, in der die Führungsriege aus Wirtschaft, Sport, Kultur, Medien und Politik selbstverständlich soziale Kontakte pflegt, die sich manchmal aber auch als negativ für die Stadtgesellschaft entpuppen. Doch das geht wohl nicht anders.

Thematisiert wird in dieser Reportage auch die Expo, die in Hannover mehr Befürchtungen als Lust auf das Abenteuer ausgelöst hat. Der Befreiungsschlag gelang nicht einmal mit einer Verlängerung dieses unglaublichen Ereignisses, das niemand jemals wieder vergessen kann, der die Weltausstellung mehr als einmal besucht hat. Die Tränen, die am letzten Expo-Tag in so mancher Halle geflossen sind, bleiben in meinem Gedächtnis für immer haften.

Der Legende gewordene, aber immer noch lebende Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ist in dieser Reportage ebenso zu Wort gekommen wie der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht, der einem Gefängnis in Celle ein Loch verpasst hat oder sein Nachfolger Gerhard Schröder, der sich 1990 über den CDU-Kandidaten lustig machte, weil der nach seiner Ankündigung, er werde sich in zwei Jahren zurückziehen, für Schröder nur noch "ein halber Kandidat" war. 

Auch zukünftig ist dafür gesorgt, dass Hannover nicht abhebt. Diese Aufgabe übernimmt gerade Hannover 96 mit dem Abstieg in die Zweite Liga, der aber nur vorübergehend sein wird - wie der Komplex von Hannover?

Ein großer Schriftsteller lenkt vom Wahlkampf ab.
Foto: Angelika Tjaden 


    

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