Panzer auf Golanhöhen

Erinnerungen an einen Israel-Besuch

"Drei syrische Panzer sind in die demilitarisierte Zone auf den Golanhöhen eingedrungen. Israel hat daraufhin bei der UN-Friedenstruppe in der Pufferzone Beschwerde eingelegt."

Ist auch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nur eine Kurzmeldung, die ich schon gestern auf einer Videotext-Tafel eines Fernsehsenders gelesen habe. Plötzlich saß ich wieder mit einer Reisegruppe aus dem damaligen Landkreis Hannover in einem Bus, der an den Golan-Höhen vorbeifuhr. Wir schrieben den 18. Oktober 1985, hatten täglich ein volles Besuchsprogramm, kamen aus Tiberias am See Genezareth. Unser Reiseleiter erzählte uns von heimtückischen Angriffen der Syrer, die auf den Golan-Höhen Stellung bezogen hatten und Zivilisten unter Beschuss nahmen. Panzer, die von Israel im Yom-Kippur-Krieg erobert worden waren, sollten wir gut eine Woche später besichtigen. Ein rot angemalter Panzer stand auf dem Weg zur Gedenkstätte für die Golani-Brigade am Straßenrand, unser Reiseleiter sagte: "So wollen wir den Kindern die Angst vor Waffen nehmen."

Dieser Satz führte zu erregten Diskussionen, wir konnten nicht begreifen, warum ein Staat Kinder an Krieg gewöhnen will und verweigerten einen Besuch der Gedenkstätte. "Wir schauen uns keine Panzer an", machte die Mehrheit unserer Reisegruppe Rast in einem Waldstück, während unser Reiseleiter mit dem Rest die Gedenkstätte besuchte. Anschließend fuhren wir mit dem Bus zu den Golan-Höhen. Wieder sorgte unser Reiseführer für Diskussionsstoff. Kamen wir an fruchtbarem Boden vorbei, sagte er: "Das behalten wir." War der Boden nicht fruchtbar, sagte er: "Das können die Syrer wiederbekommen." So, antworteten wir, wird das nichts.

Die 14 Tage, die wir in Israel verbrachten, glichen einem Wechselbad der Gefühle. Wir begegneten streng religiösen Juden und wenige Stunden später religiösem Kommerz am Jordan, wo sich Pilger taufen ließen. Leere Kunststoffflaschen für Wasser aus dem Jordan kosteten umgerechnet eine Mark. Auf dem Weg nach Haifa kamen wir an dem Gefängnis vorbei, in dem Adolf Eichmann gesessen hatte und wurden von der eigenen  Geschichte eingeholt. Wir standen unter Olivenbäumen, unter denen wahrscheinlich auch Jesus gestanden hat, und an der Klagemauer.

Mit meinen Gasteltern machte ich am Wochenende Ausflüge, er kam aus dem Iran, sie aus Australien, die Mädchen waren 14 und 12 Jahre alt, der Vater arbeitete als Biologielehrer, die Mutter als Krankenschwester. "Wir müssen beide arbeiten", sagten sie, "sonst kommen wir nicht über die Runden." Wir besuchten Familien, bei denen wohl Tag und Nacht der Fernseher lief. Catchen im Schlamm schien so eine Art Quoten-Bringer zu sein.

Ein so kleines Land mit derart vielen Gegensätzen war nicht nur spannend, sondern auch anstrengend. Flog irgendwo etwas in die Luft, reagierten unsere Gastgeber scheinbar gelassen. Wir saßen in einem Restaurant beim Essen, als wenige Meter entfernt eine Bombe explodierte. Darum sollten wir uns nicht kümmern. Wir sollten es uns schmecken lassen.

Wie jede offizielle Reisegruppe besuchten wir die Holocaust-Gedenkstätte und legten einen Kranz nieder. Auf der Allee der Gerechten stand eine Skulptur, die eine Mutter darstellte, ihr Mund war ihr Gesicht. Unser Reiseleiter nahm mich wieder einmal beiseite: "Es ist schön, dass wir nun Freunde sind. Wir verstehen uns zwar nicht immer, aber davon sollten wir uns nicht beirren lassen." Recht hatte er. Vielleicht auch deshalb stören mich syrische Panzer auf den Golan-Höhen.

Die beiden Mädchen von damals sind nun 39 und 41 Jahre alt. Ihnen schicke ich ein






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