Sagt doch endlich








Die Wahrheit!

"Mein Willy" sülzt heute ein gewisser Helmut Böger in der "Bild am Sonntag" herum. Brandt sei ein "Jahrhundertmensch" gewesen. Das stimmt zwar, aber in der Springer-Presse möchte ich so was nicht lesen. Zum 100. Geburtstag sollten "Bild" und "Bild am Sonntag" sich endlich entschuldigen für die Schmutzkampagnen gegen diesen Politiker. Da ist doch von der Springer-Presse und von der CDU mit jedem Dreck geworfen worden, um diesen Sozialdemokraten zu beschmutzen. Sogar nach dem Kniefall vor dem jüdischen Ehrenmal in Warschau haben sie ihn so madig gemacht, dass Brandt wütend gefragt haben soll: "Woher wollen diese Schweine eigentlich wissen, was ich fühle?"

Alle wollen inzwischen in Ehrfucht erstarrt sein, wenn sie Brandt begegnet sind. Niemand will ihn mehr als "Vaterlandsverräter" und als uneheliches Kind verleumdet haben. Sogar als Vater soll er zumindest zeitweise ungeeignet gewesen sein. Oder hat auch das nie in der "Bild"-Zeitung gestanden?

Ich bin als Schüler in Wilhelmshaven wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten. Seine Ostpolitik faszinierte mich. Im Herbst 1972 zog ich als Student nach Mainz um und trug wie viele andere die "Willy wählen"-Plakette. Vor dem Hauptbahnhof hielt mich deswegen ein älterer Herr an, der sich als Vorsitzender der DKP vorstellte. Schon bald gesellten sich andere zu uns. Wir diskutierten so eifrig über Politik, wie man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann. Dann kam Brandt. 30 000 Menschen wollten ihn hören. Mit seiner Rede erreichte er jeden in der Menge. Die Ausstrahlung dieses Mannes reichte bis zum Letzten bei dieser Wahlkampfveranstaltung. Brandt entfaltete seine Visionen von einer anderen Bundesrepublik, in der er auch Großunternehmer in die Schranken weisen würde.

Ein Jahr zuvor waren wir als Schüler eines Wilhelmshavener Gymnasiums in Prag. Brandt bekam während unserer Klassenfahrt den Friedensnobelpreis. Das erfuhren wir auf der Straße von einem Prager, der uns zu diesem Nobelpreis gratulierte. Immer wieder kamen Leute zu uns, die sich mit uns freuten. Auch in Prag wurde viel Positives von Brandt erwartet. Als wir wieder zuhause waren, holte uns der deutsche Alltag schnell wieder ein. Konservative Kreise nörgelten an der Preisverleihung herum.

Wiederum ein Jahr zuvor war Willy Brandt in Erfurt und traf sich dort mit dem DDR-Ministerratsvorsitzenden Willi Stoph. Die "Willy, Willy"-Rufe der begeisterten Menge deutete das Staatsfernsehen später in "Willi, Willi"-Rufe um.

1974 hatten sie ihn zermürbt. Brandt stürzte wegen der Guillaume-Affäre, doch sein Rücktritt war eher ein Befreiungsschlag. Seine Rücktrittserklärung klang so, als sei er froh darüber, endlich auch den Intriganten in seiner eigenen Partei entkommen zu können. Wehner hatte ihn in Moskau beleidigt, Helmut Schmidt begnügte sich mit Lippenbekenntnissen.

1989 wurde Willy Brandt wieder gefeiert. Einen Tag nach dem Fall der Mauer war er in Berlin. Erneut gab es "Willy, Willy"-Rufe. Die Berliner hatten nicht vergessen, was sie diesem Bundeskanzler verdankten.

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