Links gewinnt

Champagner für alle Nichtwähler

Doch Ernst legte nach. Von der Nachwuchsförderung im Fußball könne die Politik viel lernen, fand der Bayer. „Wenn die Vereine so mit den jungen Leuten umgehen würden wie die Politik, hätten wir nie und nimmer zwei deutsche Mannschaften im Finale gehabt“, schimpfte der Linken-Kandidat.
Jetzt schaltete sich Talkshow-Debütantin Cornelia Otto ein. Ihr Vorschlag: Wie die Vereine im Fußball, sollen auch Parteien künftig die Logos ihrer Sponsoren auf dem Hemd tragen.

„Dann trägt Herr Duin Deutsche Bank. Die FDP das Allianz-Logo“. Blutgrätsche von Ernst. Der drehte jetzt richtig auf, doch Becker revanchierte sich und trat für die FDP nach: „Die Linke will die Bundesliga abschaffen!“ Wenn die Linken ab 500 000 Euro Jahresgehalt alles wegbesteuerten, würden die Profis ins Ausland abwandern, so seine These.

Berichtet "Bild" über den Raab-Talk "Die absolute Mehrheit". Nach Gregor Gysi hat auch Klaus Ernst nach Auffassung der Zuschauerinnen und Zuschauer die besten Argumente gehabt. Links gewinnt also? Weil die SPD mit der Agenda 2010 und mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat nicht mehr aus der eigenen Hälfte herauskommt? Weil man bei Cornelia Ottos Sponsoren-Vorschlag sofort denkt, dass diese neue Spitzenkandidatin der Piraten nicht die Logos ihrer Sponsoren auf dem Hemd tragen sollte, sondern alle Internetveröffentlichungen, in denen nun auch an ihrem Stuhl gesägt wird? Endet deshalb jetzt auch schon der "Tatort" mit einem Zitat von Karl Marx? Und zwar mit diesem: „Freiheit ist, oh Weib, wo du nicht bist."

Junggesellinnen und Junggesellen kommen wie viele Wählerinnen und Wähler bekanntermaßen jeden Morgen aus einer anderen Richtung zur Arbeit oder zur demoskopischen Wahlurne, wenn sie denn noch Arbeit haben bzw. sich überhaupt noch dafür interessieren, wo gerade Steuern verbrannt werden. Mit den meisten Parteien kann man sich auch nicht mehr blicken lassen. Wen man gewählt hat, wenn man überhaupt noch wählt, verschweigt man besser.

Die Grünen lassen gerade untersuchen, welchen Einfluss pädophile Kreise in der Gründerzeit auf diese Partei gehabt haben, während sich die "Welt" bereits verhaspelt: "Ein Teil der damaligen Grünen war Mitte der 80er-Jahre noch von jenem Geist von 68 geprägt, der in jedem Tabu Repression sah und die Befreiung von allem und jedem für eine gute Sache hielt. Es stand die weit übers Ziel hinausschießende Idee von der sexuellen Befreiung dahinter, für die es ja auch gute Gründe gegeben hatte."

Wie oft muss man eigentlich noch wiederholen, dass es den "Geist von 68" nie gegeben hat, weil die Strömungen und Ziele viel zu unterschiedlich waren? Hat auch die "Welt" vergessen, dass damals "Geht doch in die DDR, wenn es euch hier nicht gefällt" gepaart mit körperlicher und psychischer Gewalt gegen Suche nach neuen Wegen stand, während es dazwischen Grüppchen und Machtapparate gab, die unter irgendwelchen Drogen standen? Einige dieser Grüppchen schlüpften irgendwann unter das Dach der Grünen, während diese Partei heute nicht mehr mit Grüppchen zu kämpfen hat, sondern mit einer esoterischen Unterwanderung, die immer gefährlicher wird.

Die Piraten sind keine ernst zu nehmende Alternative. Der Gedanke, dass Wissen allen gehören sollte, mag zwar sexy sein, aber der weit verbreitete rüpelhafte Umgang mit den Möglichkeiten des Internets wirkt abstoßend. Munter verlinken Mitglieder dieser Partei schmutzige Veröffentlichungen, wenn ihnen eine Laus über die Leber gelaufen ist. Diese Piraten scheinen Tag und Nacht am PC zu sitzen, um sich die nächste Gemeinheit einfallen zu lassen.

Und die SPD? Die stellt nur noch fest, dass Angela Merkel mit jedem Skandal immer beliebter wird. Den Sozialdemokraten drohnt es gerade in den Ohren. Sollte der Verteidigungsminister demnächst offenbaren, dass er und seine Vorgänger nicht 600 Millionen Euro, sondern über 1 000 Millionen Euro in den Rachen von Rüstungslobbyisten geworfen haben, überspringt die CDU die 50-Prozent-Hürde und ein Verwandter von Seehofer bekommt einen Ministerposten. Wahlsendungen sollten künftig als Satire gekennzeichnet werden, damit alle, die nicht hingegangen sind, fröhlich Champagner trinken können, der von der nächsten Bundesregierung gesponsert wird...

Ausklingen soll dieser Beitrag mit Karl Kraus: "Das Geheimnis des Agitators ist, sich so dumm zu machen, wie seine Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er." ("Sprüche und Widersprüche", 1909) Und mit einem Beitrag von Heinz-Peter Tjaden (2013): "Fähige sollten nur in die Politik gehen, wenn sie zu allem fähig werden wollen."





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