Nazi-Verbrechen

"Die letzten Monate und Wochen des Zweiten Weltkriegs bergen in den Augen von Rechtshistorikern wie Peter Lutz Kalmbach noch viele schreckliche Geheimnisse. Der Lehrbeauftragte der Universität Bremen und Rechtsanwalt beschäftigt sich nach eigenen Angaben intensiv mit Standgerichten, ihrem Vorgehen, ihren Urteilen und ihren Opfern."

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Die Geschichte, die ich nun erzähle, hat mein Vater fast 40 Jahre für sich behalten. Er erzählte sie mir, als er bei mir in Hannover zu Besuch war. Der Hauptbahnhof hatte seine Erinnerungen wieder lebendig werden lassen.

Mein Vater wurde am 11. Juni 1925 im Wilhelmshavener Stadtteil Heppens geboren. Seine Mutter war eine entschiedene Gegnerin der Nazis, sie verweigerte den Hitler-Gruß mit der Begründung: "Den könnt ihr allein heilen." Als mein Vater zur Hitler-Jugend sollte, verhinderte sie das mit immer neuen Ausreden, dass mein Vater in jungen Jahren Soldat werden musste, konnte sie dagegen nicht verhindern. Doch in den Niederlanden schien die Front weit weg zu sein.

Im Mai 1944 bekamen mein Vater und ein Freund von ihm für ein paar Tage Heimaturlaub. Sie schlugen sich bis nach Wilhelmshaven durch und kamen zuhause an, als sie schon längst wieder bei ihrer Einheit hätten sein sollen. Das Wiedersehen mit der Familie war also nur kurz. Weiter als bis nach Hannover kamen sie aber erst einmal nicht. Sie verbrachten Tage und Nächte in einem Bunker unter dem Hauptbahnhof von Hannover. Dann fuhr ein Versorgungszug der Wehrmacht in die Niederlande, mein Vater und sein Freund sprangen in den letzten Waggon. Bombenangriffe verzögerten die Fahrt, der Zug musste immer wieder anhalten. Hunger und Durst wurden immer quälender, bis sich die beiden über die Konserven hermachten.

Schließlich waren mein Vater und sein Freund satt, Hunger und Durst wichen der Angst vor den Folgen. Kurzentschlossen koppelten sie den Waggon ab und hofften, dass deswegen niemand hinter ihr Geheimnis käme. Sie täuschten sich. Kaum waren sie bei ihrer Einheit, wurden sie wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. Das Urteil sollte am nächsten Morgen vollstreckt werden. In getrennten Zellen bangten mein Vater und sein Freund um ihr Leben.

Die Sonne ging auf. Mein Vater hörte Schritte im Gang. Doch sie kamen nicht zu ihm, sie holten seinen Freund aus der Zelle. Stille. Stundenlang. Die Einheit meines Vaters hatte einen Marschbefehl bekommen. 6. Juni 1944, die Amerikaner waren in der Normandie gelandet. Sie hatten sein Leben gerettet. Mein Vater befreite sich aus seiner Zelle und machte sich auf die Suche nach deutschen Soldaten, in Frankreich erlebte er ein Abenteuer nach dem anderen, das Chaos war groß. Er schloss sich einer versprengten Einheit an und geriet in Gefangenschaft, die für meinen Vater aber nicht lange dauerte.

Kaum war der Krieg zu Ende, wurde sein Name bei einem Appell aufgerufen. Ein jüdischer Kaufmann aus Wilhelmshaven habe sich für seine Freilassung eingesetzt, er dürfe sofort nach Hause.   

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