Wieder bei Marianne
Mit Hut im Himmel. |
"Suzanne takes you down to her place near the river
You can hear the boats go by
And you can spend the night beside her
And you know, that she's half crazy
But that's why you want to be there."
Das sind die ersten Zeilen, die ich von Leonhard Cohen gehört habe, in der Studentenbude einer Stuttgarterin, die wie ich in Mainz zur Uni ging und stinkreiche Eltern hatte. Sie lebte in einer Wohngemeinschaft, die ebenfalls half crazy war. Ein Pärchen stritt sich unablässig, er ballerte ihr die Tür vor der Nase zu, sie ihm. Aber politisch waren sie sich einig, die Zukunft gehörte dem Sozialismus made vom MSB Spartakus, Studentenorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).
Die Flugblätter dieser Organisation lagerten im Zimmer eines Wormsers, der die Wochenenden bei seinen Eltern verbrachte. Sie stapelten sich dort auch noch, als sie längst hätten verteilt worden sein sollen. In regelmäßigen Abständen trug ich inzwischen Verblichenes zur Mülltonne und half so ebenfalls half crazy beim Aufbau des Sozialismus zumindest in Mainz-Mombach.
Die Arbeiterklasse wurde in dieser Wohngemeinschaft vertreten von einer Arbeiterin aus den Schott-Werken, die sich gelegentlich darüber beklagte, dass die Stuttgarterin und ich nicht nur beim Sex zu laut, sondern meistens auch zu spät dran waren. Sie erkundigte sich vorsichtig, ob wir nicht vielleicht früher...So lernte ich etwas über die Probleme, die es auch im Sozialismus zwischen so genannter "Intelligenz" und "werktätiger Bevölkerung" geben könnte, wenn er denn endlich siegreich wäre. Zumindest in Mainz-Mombach.
Einen Punktsieg im Klassenkampf verbuchten wir, als die Eltern der Stuttgarterin die Wohngemeinschaft besuchten mit Feuerzangenbowle. Väterlicherseits war die Trunkenheit nach einer Stunde dermaßen hoch, dass dieser Unternehmer auch "Hoch die internationale Solidarität" gelallt hätte, wenn wir ihn dazu aufgefordert hätten. Bis dahin hatte er uns voll gesäuselt mit verständnisvollen Worten über unser Alter, das eine Erklärung für unsere Sozialismus-Anfälligkeit sein könne, als sei Karl Marx Kinderarzt gewesen.
Als Leonhard Cohen die eingangs erwähnten Zeilen schrieb, ist er sicherlich mit seinen Gedanken nicht bei dieser half crazy Wohngemeinschaft gewesen. Dafür war er aber mit seinen Gedanken bei seiner großen Liebe Marianne Ihlen, als er "So long Marianne" schrieb. Leonhard Cohen liebte nicht nur diese Frau, er liebte viele Frauen und wurde von einer Frau fast in den Ruin getrieben: Seine Managerin erleichterte ihn um 10 Millionen Dollar, als er in einem Kloster meditierte. Dieser Marianne schrieb er einen rührenden Brief, als sie dem Tode geweiht war und versicherte ihr, dass er bald bei ihr sein werde. Womit er leider Recht behielt.
Auf der Bühne erlebte ich Leonhard Cohen in den 70er-Jahren. Er saß auf einem Stuhl und verließ sich auf die Wirkung seiner Texte und seiner Stimme, die er selbst für schlecht hielt. Die Presse bescheinigte uns am nächsten Tag, dass wir ein ganz besonderes Publikum gewesen seien. Was das zu bedeuten hatte, hätte uns Leonhard Cohen sicherlich in einem Lied erklärt, wenn er diesen Bericht gelesen hätte. Doch das taten selbst in Hannover nur wenige. Neben mir saß während dieses Konzertes die schönste Frau von Hannover, die mich aus unerfindlichen Gründen geheiratet hatte, ich wollte mich dafür bei ihr mit einem unvergesslichen Konzerterlebnis bedanken. Was mir gelang.
In dem Sinne, Leonhard Cohen: Grüß Marianne von mir - und bleib wie du bist. Ein textender Engel, der sich nur mit Frauen umgibt, aber nie wieder mit einer Managerin. Und wenn Petrus dich fragt, ob es dir im Himmel gefällt, dann antworte ihm: "You are half crazy like Suzanne, that´s why I want to be here." Aber nicht verraten, dass dieser Spruch von mir ist. Sonst komme ich nie in den Himmel...
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