Gehet hin

...und lehret alle Volker

Mein Freund Volker wohnt in einer Reihenhaussiedlung. Freie Parkplätze gibt es in seiner Straße nicht mehr, denn sie wollen alle zu ihm.

Einer Italien-Reise wegen hat Volker den Gotthard-Tunnel googeln wollen. Doch er ist nur bis "Gott" gekommen. Sein Telefon klingelte, das Gespräch dauerte, während sich ein Datensauger bei der Suchmaschine andockte und jedem mitteilte, der das wissen wollte: "Volker interessiert sich für Gott."

Schon am nächsten Morgen lagen in seinem Briefkasten zwei bunte Heftchen von den Zeugen Jehovas, außerdem eine Einladung zu einem Bibelkursus. Volker blätterte nur kurz in den Magazinen und googelte "Zeugen Jehovas". Weiter ist er wieder nicht gekommen. Jemand klingelte an der Haustür, draußen standen ein Mann und eine Frau, fragten ihn: "Haben Sie unsere Post bekommen?" "Ja", antwortete Volker, "ich habe sie sogar schon weggeworfen." Dann schloss er die Tür wieder.

Der Datensauger hatte inzwischen allen, die das wissen wollten, mitgeteilt: "Volker interessiert sich für die Zeugen Jehovas." Deswegen bekam er einen Anruf von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), die ihn vor dieser Sekte warnte. 

Sogleich googelte Volker die EZW. Auch dieses Mal kam er nicht weiter, denn vor seiner Haustür stand ein Polizeibeamter, der zu ihm sagte: "Fahren Sie sofort Ihr Auto weg. Sie blockieren die Feuerwehrzufahrt zur Siedlung." Das Auto, das die Feuerwehrzufahrt blockierte, gehörte aber gar nicht Volker, das Auto gehörte einem Mittdreißiger, der auf Volker zukam, ihm die Hand schüttelte und außer sich war vor Freude: "Sie interessieren sich für Gott. Das ist schön. Wenn ich Sie in unsere Pfingstgemeinde einladen darf, würde ich mich..." Der Polizeibeamte jedoch bestand auf eine freie Feuerwehrzufahrt. "Aber flott", sagte er.

Kaum waren Mittdreißiger und Polizist wieder gegangen, googelte Volker die Pfingstgemeinde des Falschparkers. Zu den 71 900 Ergebnissen gehörte ein Artikel mit der Überschrift "Mit Jesus in die Hölle." Ein Klick, Volkers Handy, er hatte eine SMS bekommen: "Es gibt keine Hölle, in der Sünder geröstet werden." Diese SMS bekam auch der Verfassungsschutz, der dieses Zitat kannte und sofort losfuhr, um Volker zur Rede zu stellen. Der Unauffälligkeit wegen kamen sie mit drei Fahrzeugen.

Dann standen sie im Halbkreis vor Volkers Haustür: "Sie sind Satanist?" Als guter Staatsbürger zur Wahrheit verpflichtet, antwortete er: "Eigentlich wollte ich nur den Gotthard-Tunnel googeln, doch dann bin ich bei Gott gelandet." Die Verfassungsschützer hatten genug gehört. Sie nahmen Volker mit.

Nach stundenlangem Verhör kam er kurz vor Mitternacht auf Bewährung nach Hause und erstattete Bericht bei Facebook. Das hätte er besser nicht getan. Am nächsten Morgen staute sich der Verkehr in seiner Straße. Volker strich den Italien-Urlaub und googelte nicht mehr. Bei Facebook meldete er sich ab.
  

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