Ostfriesland unverständlich

Über Menschen mit Auricher Migrationshintergrund

Mein Freund Klaus ist Fan von Ernest Hemingway, das war gut so, als er von seinem Urlaub aus Ostfriesland zurückkehrte, denn seine Eindrücke konnte er mit dem Romantitel "In einem andern Land" zusammenfassen. Fragen, die er hatte, beantwortete ich ihm gern. Es waren viele Fragen, denn sein Urlaubsziel war ihm unverständlich geblieben. Ob es ihm inzwischen verständlicher geworden ist, kriegen wir später.

Ostfriesland einfach dargestellt

Die meisten Menschen, die diesen Landstrich ziemlich dünn besiedeln, haben einen Auricher Migrationshintergrund. Tradition hat ein täglicher Wörterverbrauch von durchschnittlich 10 Vokabeln, von denen "Tee", "Tasse", "Kluntje" (große Zuckerstücke, die deshalb auch von Ostfriesen gefunden werden können) und Löffel die wichtigsten sind und die wortkarge Konversation bestimmen.

Sollten sich Ostfriesen begegnen, obwohl sie weit auseinander wohnen, sagt der Schnellere (wobei schnell in Ostfriesland ein relativer Begriff ist) "Moin, moin", der Langsamere "Moin". Auf die Uhrzeit kommt es dabei nicht an, in diesem Landstrich ist stets zumindest "Moin".

Angemessen groß ist der Wortverbrauch eines Ostfriesen auch bei Flirts mit dem anderen Geschlecht. Als wagemutig gilt die Frage "Lust auf einen Tanztee?", die deswegen vielen Ostfriesen nicht über die Lippen kommt, bis sie den Löffel abgeben müssen (bedeutet: sterben). Die meisten Ehen werden von den Eltern angebahnt, damit dieser Landstrich nicht noch dünner besiedelt wird. Wenn die Eltern sagen "Das Mädel ist in Ordnung", weiß der durchschnittliche Ostfriese, wen er zu heiraten hat. Denn stets gilt "Geht nicht, gibt es nicht".

Auch in der Ehe halten sich Mann und Frau an die landstrich-übliche Konversations-Diät. Fragt er "Kinder?", antwortet sie entweder "Was muss, das muss" oder "Keine Zeit". Auf ihrem Weg ins Leben werden dennoch entstandene Kinder mit wichtigen Tipps wie "Töpfchen", "Aufessen", "Lernen" (gilt für die Schulzeit), "Etwas lernen" (gilt für die Ausbildung) und "eigene Wohnung suchen" fit für die Zukunft gemacht. 

Gelegentlich wird in Ostfriesland auch gefeiert. Dann steht "Jever Pilsener" auf den Tischen, dieses Bier ist so herb wie der Auricher Migrationshintergrund der Gäste. Ostfriesen, die nach einer gewissen Zeit nur noch lallen könnten, fallen nicht auf, weil sie abends auch nüchtern kaum noch sprechen würden. Bei der kurvenreichen Heimkehr kommt allen zugute, dass der Landstrich dünn besiedelt ist. Bierleichen, die morgens in den reichlich vorhandenen Gräben (Wasser führende Vertiefungen des ansonsten flachen Erdreichs) gefunden werden, werden behutsam auf den Acker gerollt, wo sie irgendwann wieder zu sich kommen.

Kommt Besuch, wird die Stube hergerichtet mit blau-weißen Deckchen, dem besten Geschirr und Keksen, die für solche Zwecke in Dosen aufbewahrt werden. Manchmal werden auch im August noch Spekulatius gereicht. Dieses Gebäck wird aus den mit Ostfriesland befreunden Niederlanden importiert. Ist der Besuch wieder gegangen, freut sich der Ostfriese, weil in der Keksdose wieder Platz für Weihnachtsgebäck ist.

Am Strand erkennt man die Ostfriesen am mitgebrachten Stövchen. Dabei handelt es sich um einen Untersatz, auf dem der Tee warmgehalten wird, was die Laune jedes Ostfriesen hebt. Bei Einbruch der Dunkelheit leuchten die Teelichter gelegentlich sogar bis nach Emden.

Dazu mein Freund Klaus

"Nun weiß ich einigermaßen, wo ich gewesen bin. Was heißt aber heel wat besünners?" "So was ähnliches wie he, wat mooi." "Verstanden", sagt Klaus. 



  





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