Die Piraten
19. September 2011
Das unbekannte Parteiwesen
In Berlin hat die Piratenpartei allen anderen Parteien Stimmen abgejagt, die meisten den Grünen. An die Wahlurnen lockte sie auch Wählerinnen und Wähler, die sonst nicht hingegangen wären. Reichte für 9,0 Prozent.
Nun hat in den Medien das große Rätselraten begonnen. "Wer sind eigentlich diese ´Piraten´?" fragt heute "Bild" auf Seite 2. Redakteur Einar Koch fand heraus: Gegründet worden ist diese Partei vor fünf Jahren, die Mitgliederzahl liegt bei 1 000, steigt aber "stündlich", das Vorbild stammt aus Schweden.
Außerdem haben die Piraten "Post von Wagner" bekommen. Der findet den Kampf dieser Partei "für die Freiheit im Internet" erst einmal "super-super-sympathisch", dann aber nicht mehr: "Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, ist es superidiotisch und lebensgefährlich." Denn: "Die Piraten lehnen jede Überwachung des Internets ab."
Die "Welt" schürft ein wenig tiefer. Sie hat herausfinden lassen, dass diese Partei zwar 9,0 Prozent bekommen habe, aber für das Programm interessiere sich kaum jemand. Dann wären die Piraten eine "Protestpartei" der Desinteressierten, die aus Jux zur Wahl gehen? Dennoch fragt sich ein Politikwissenschaftler, ob die Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus "entzaubert" werden kann. Wenn aber der Zauber darin liegt, dass nichts wissen nichts ausmacht, wird das wohl kaum gelingen.
Neu ist: Medien setzen sich erst intensiv mit einer Partei auseinander, wenn sie in ein Parlament eingezogen ist. Mit der Post von Wagner muss man sich nicht lange beschäftigen, die ist nur "superidiotisch". Auch die Piratenpartei tritt keinesfalls dafür ein, dass Kriminelle und Terroristen im Internet tun und lassen dürfen, was sie wollen. Die fürchtet sich lediglich davor, dass Unbescholtene kriminalisiert werden.
So betrachtet übernimmt die Piratenpartei die Rolle, die früher einmal die FDP gespielt hat. Die Liberalen sind vorübergehend reale Bürgerrechtspartei gewesen, die Piraten sind eher eine virtuelle.
Vor 30, 40 Jahren haben Überwachungskameras in Innenstädten Unbehagen ausgelöst, man fragte sich, wer die Aufnahmen auswertet, bei Demonstrationen machten Verfassungsschützer Fotos, die Telefone von Künstlern wurden angezapft, bei öffentlichen Auftritten linker Kabarettisten saß die politische Polizei im Publikum und schrieb mit, Mitglieder der DKP bekamen Berufsverbot. So wollte sich der Staat vor RAF-Terror und vor einer kommunistischen Unterwanderung schützen, schüttete aber das Kind mit dem Bade aus. Nicht das Vertrauen, das Misstrauen wuchs.
Heute hat sich das Unbehagen ins Internet verlagert. Abmahnanwälte lauern an jeder virtuellen Ecke, nach jeder Terrorwarnung wird die Vorratsdatenspeicherung politisch aufgewärmt. Wieder wächst das Misstrauen. Deshalb hat die Piratenpartei in Berlin 9,0 Prozent der Stimmen bekommen. Dass die meisten Wählerinnen und Wähler das Programm dieser Partei nicht kennen, ist kein Unterscheidungsmerkmal. Ist bei den anderen Parteien auch so.
Nach dem Wahlerfolg kündigt die Piratenpartei eine "ernsthafte Politik im Berliner Abgeordnetenhaus" an. Schaun mer mal.
Das unbekannte Parteiwesen
In Berlin hat die Piratenpartei allen anderen Parteien Stimmen abgejagt, die meisten den Grünen. An die Wahlurnen lockte sie auch Wählerinnen und Wähler, die sonst nicht hingegangen wären. Reichte für 9,0 Prozent.
Nun hat in den Medien das große Rätselraten begonnen. "Wer sind eigentlich diese ´Piraten´?" fragt heute "Bild" auf Seite 2. Redakteur Einar Koch fand heraus: Gegründet worden ist diese Partei vor fünf Jahren, die Mitgliederzahl liegt bei 1 000, steigt aber "stündlich", das Vorbild stammt aus Schweden.
Außerdem haben die Piraten "Post von Wagner" bekommen. Der findet den Kampf dieser Partei "für die Freiheit im Internet" erst einmal "super-super-sympathisch", dann aber nicht mehr: "Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, ist es superidiotisch und lebensgefährlich." Denn: "Die Piraten lehnen jede Überwachung des Internets ab."
Die "Welt" schürft ein wenig tiefer. Sie hat herausfinden lassen, dass diese Partei zwar 9,0 Prozent bekommen habe, aber für das Programm interessiere sich kaum jemand. Dann wären die Piraten eine "Protestpartei" der Desinteressierten, die aus Jux zur Wahl gehen? Dennoch fragt sich ein Politikwissenschaftler, ob die Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus "entzaubert" werden kann. Wenn aber der Zauber darin liegt, dass nichts wissen nichts ausmacht, wird das wohl kaum gelingen.
Neu ist: Medien setzen sich erst intensiv mit einer Partei auseinander, wenn sie in ein Parlament eingezogen ist. Mit der Post von Wagner muss man sich nicht lange beschäftigen, die ist nur "superidiotisch". Auch die Piratenpartei tritt keinesfalls dafür ein, dass Kriminelle und Terroristen im Internet tun und lassen dürfen, was sie wollen. Die fürchtet sich lediglich davor, dass Unbescholtene kriminalisiert werden.
So betrachtet übernimmt die Piratenpartei die Rolle, die früher einmal die FDP gespielt hat. Die Liberalen sind vorübergehend reale Bürgerrechtspartei gewesen, die Piraten sind eher eine virtuelle.
Vor 30, 40 Jahren haben Überwachungskameras in Innenstädten Unbehagen ausgelöst, man fragte sich, wer die Aufnahmen auswertet, bei Demonstrationen machten Verfassungsschützer Fotos, die Telefone von Künstlern wurden angezapft, bei öffentlichen Auftritten linker Kabarettisten saß die politische Polizei im Publikum und schrieb mit, Mitglieder der DKP bekamen Berufsverbot. So wollte sich der Staat vor RAF-Terror und vor einer kommunistischen Unterwanderung schützen, schüttete aber das Kind mit dem Bade aus. Nicht das Vertrauen, das Misstrauen wuchs.
Heute hat sich das Unbehagen ins Internet verlagert. Abmahnanwälte lauern an jeder virtuellen Ecke, nach jeder Terrorwarnung wird die Vorratsdatenspeicherung politisch aufgewärmt. Wieder wächst das Misstrauen. Deshalb hat die Piratenpartei in Berlin 9,0 Prozent der Stimmen bekommen. Dass die meisten Wählerinnen und Wähler das Programm dieser Partei nicht kennen, ist kein Unterscheidungsmerkmal. Ist bei den anderen Parteien auch so.
Nach dem Wahlerfolg kündigt die Piratenpartei eine "ernsthafte Politik im Berliner Abgeordnetenhaus" an. Schaun mer mal.
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