Milchpolitikerrechnung

Stell dir vor, es sind Wahlen...

...und es geht sogar noch jemand hin. Bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 werden es wohl unter 70 Prozent sein. Was für eine Klatsche für die Parteien! Bei Landtagswahlen lässt die Beteiligung schon lange zu wünschen übrig. Bei Kommunalwahlen ist sie katastrophal.

Diese Katastrophe trägt die Namen der Parteien. Die von diesen Parteien aufgestellten Kandidaten haben auf kommunaler Ebene inzwischen die Strahlkraft einer Sonnenfinsternis. Doch es soll so finster bleiben. Hat jetzt das Verwaltungsgericht von Hannover vor der Oberbürgermeisterwahl entschieden. Für Einzelbewerber werden deswegen weiterhin Hürden aufgestellt. Sie müssen Unterschriften sammeln. Wie viele das sind, hängt vom Wohnort ab. In Erfurt werden mehr Unterschriften verlangt als in Hannover. Aber das ist in Ordnung, sagt das Verwaltungsgericht von Hannover.

Ansonsten gilt: Rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. 1996 hat Niedersachsen als letztes Bundesland die Eingleisigkeit eingeführt. Heißt: An der Spitze einer Kommune steht seither nur noch eine oder einer. Diese Eine oder dieser Eine wird direkt gewählt. Für diese Wahl hat bis 2010 gegolten: Bekommt niemand im ersten Wahlgang die Mehrheit der gültigen Stimmen, gibt es eine Stichwahl für die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Da jedoch die Beteiligung an solchen Stichwahlen noch katastrophaler gewesen ist als sonst schon, schaffte die CDU diese Stichwahl ab. Gewählt war nun, wer die meisten Stimmen bekam. Rechnete man diese Stimmenzahl auf die Zahl der Wahlberechtigten um, stellte man fest: Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte mit Rückhalt in der Bevölkerung gab es weiterhin kaum.

Daraus zog die SPD 2013 nach der Landtagswahl den merkwürdigen Schluss: Wir führen die Stichwahl wieder ein. Einer der Gründe: Angst. Da Stephan Weil niedersächsischer Ministerpräsident geworden war, trat er als Oberbürgermeister von Hannover zurück. Die niedersächsische Landeshauptstadt brauchte also einen neuen Oberbürgermeister. Das sollte wieder ein Sozialdemokrat sein. Hat in Hannover Tradition. Dort sagt man: "Die SPD kann einen Sack Reis aufstellen, der wird auch gewählt." Ins Rennen  haben die Sozialdemokraten jedoch Stefan Schostok geschickt. Dafür verzichtete Schostok schon vor der Landtagswahl auf den Fraktionsvorsitz.

Dann sorgte die CDU für einen Paukenschlag. Sie nominierte mit Matthias Waldraff einen berühmten Anwalt.  Ohne Stichwahl hätte der durchaus Oberbürgermeister von Hannover werden können. Also griff die Landes-SPD zum Filzstift. Die sozialdemokratische Milchpolitikerrechnung sieht so aus: Im ersten Wahlgang scheitern der Kandidat der Grünen und die Kandidatin der Linken bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung wegen der gleichzeitig stattfindenden Bundestagswahl. 14 Tage später schleppen sich noch ein paar Restwählerinnen und Restwähler zur Stichwahlurne. Deren Stimmen reichen für Stefan Schostok. Rückhalt in der Bevölkerung hat der zwar ebenfalls nicht - dafür aber einen neuen Posten als Ersatz für den Fraktionsvorsitz im niedersächsischen Landtag.

Dass Einzelbewerber draußen bleiben müssen, ist nur folgerichtig. Auch der neue Oberbürgermeister von Hannover soll schließlich auf dem Posten sein, wo er die Hannover-Connection nicht stört...Aus "Der Staat bin ich" ist "Der Staat gehört den Parteien bis zur Konterrevolution von Banken und Großkonzernen" geworden.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes von Hannover

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