Karl May
Den wahren Autor gibt es nicht mehr
"...halte ich die Seele fest. Ich beschäftige mich nur mit ihr, mit weiter nichts." Dieses Zitat stammt von einem Schriftsteller, dessen Bücher auch heute noch, 170 Jahre nach seiner Geburt und 100 Jahre nach seinem Tod, jährlich 100 000 Mal verkauft werden. Die Gesamtauflage seiner Bücher liegt inzwischen bei 200 Millionen. Aber wohl kaum ein Leser würde ihm diese Aussage zuordnen. Sie alle begeistern sich für einen Autor, den sie gar nicht kennen, gar nicht kennen können, denn den wahren Karl May gibt es nicht mehr. Das ist das eigentliche Geheimnis seines Erfolges.
In Bamberg gibt es einen Verlag, dessen Firmenzweck fast ausschließlich die Herausgabe der Bücher dieses Bestsellerautors ist: der Karl-May-Verlag. Er wurde 1913 in Radebeul bei Dresden gegründet und siedelte 1960 ins Badische über. Diesem Verlag ist es zu verdanken, dass Karl May nicht zu den vergessenen Autoren gehört. Dazu musste allerdings der den "Menschheitsfragen" verhaftete Karl May verschwinden, dazu mussten seine Werke gestrafft, seine Bücher von "jugendgefährdenden" Stellen befreit und die Skandale, in der er verwickelt war, vergessen gemacht werden.
"Waldröschen oder die Verfolgung rund um die Erde" heißt der Roman, der Karl May einstmals den Ruf einbrachte, ein Schundautor zu sein. Dieser Roman ist um 1883 in 109 Heften beim Verlag H. G. Münchmeyer in Dresden erschienen. 1902 gab Adalbert Fischer, der die Firma Münchmeyer nur wegen der fünf in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts für diesen Verlag verfassten Kolportageromane Karl Mays gekauft hatte, eine bearbeitete Fassung in sechs illustrierten Bänden heraus.
Sofort fiel die Kritik über Karl May her, weil sie Unmoralisches in diesem Roman entdeckt hatte. Langwierige, von May angestrengte Prozesse folgten, die der Autor in insgesamt fünf Instanzen gewann. Aber erst nach Adalbert Fischers Tod kam es zu einem abschließenden Vergleich. Im Oktober 1907 unterschrieben die Erben des Verlegers folgende Erklärung: "...die im Verlag der Firma H. G. Münchmeyer erschienenen Romane des Schriftstellers Karl May (haben) im Laufe der Zeit durch Einschiebungen und Abänderungen von dritter Hand eine derartige Veränderung erfahren..., dass sie in ihrer jetzigen Form nicht mehr als von Karl May verfasst gelten können." 1924/25 erschien eine weitere sehr einschneidende Bearbeitung im Karl-May-Verlag.
Wird fortgesetzt
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