Mein Kampf
Ein Machwerk soll gelesen werden
"'Mein Kampf' im Klassenzimmer – man wird doch wohl noch lesen
dürfen?", lautete die Fragestellung bei Anne Will und ihren Gästen (v.l.):
Norbert Geis (CSU), Gabriele Baring (Therapeutin und Autorin), Wolfgang Herles
(Journalist), Wibke Bruhns (Journalistin), Serdar Somuncu (Comedian und
Schauspieler) und Volker Beck (Grüne)." Berichtet "Welt online" heute über eine Talkshow, die ich mir gestern bis zur 10. Minute angeschaut habe, weil ich eine Antwort auf die Frage erwartete, warum der Freistaat Bayern im Jahre 2016 eine kommentierte Ausgabe dieses Machwerkes herausgeben will.
Besonders reizlos fand ich die Runde, weil Wibke Bruhns dazu gehörte, die vor der Weltausstellung in Hannover (Expo) als Expo-Botschafterin zugeben musste, dass sie die niedersächsische Landeshauptstadt schlecht gemacht hatte, ohne sie zu kennen. Sie blieb ihrer Linie treu und machte gestern Abend junge Leute schlecht, die sie ebenfalls nicht kennt. Als bei mir der Bildschirm längst wieder dunkel war, soll sie gesagt haben: "Ich finde, da gibt es genügend Literatur, die diesen jungen Leuten erzählen
kann, was das für eine Hypothek ist, mit der sie leben müssen, weil wir alle
werden diese Hypothek nicht los."
Da fallen mir wieder Szenen aus Israel ein. Dort habe ich in einer Gastfamilie gelebt, die zwei Töchter hatte. 12 und 13 Jahre alt. Die fragte ich auf dem Weg zur Bushaltestelle: "Habt ihr schon einmal den Namen Hitler gehört?" Hatten sie noch nie, also wechselte ich das Thema. Auf dem Programm unseres Israel-Besuches stand auch eine Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Yad Vashim. Draußen saßen junge Isrealis, die Musik hörten. Ich nahm unseren Reiseleiter beiseite. Der sagte: "Du solltest einmal einen Roman schreiben über das Verhältnis von jungen Leuten bei euch und bei uns. Du kannst das." War er dieser Auffassung, weil ich immer wieder kritische Fragen gestellt hatte?
In der zweiten Besuchswoche riss mich mein Gastvater mitten in der Nacht aus dem Schlaf, weil das israelische Fernsehen einen Film über Auschwitz zeigte. Er war der Meinung, dass ich diese grauenvollen Szenen noch nie gesehen hatte. Ich versicherte ihm, dass er sich irrte, dann durfte ich weiterschlafen.
Kein Israeli kam uns mit der Behauptung, wir hätten eine Hypothek zu tragen, die keine deutsche Generation jemals wieder los werde. Statt dessen wurden wir zu Festen eingeladen, erlebten überall Gastfreundschaft und führten spannende Diskussionen.
Die ab 2016 in deutschen Schulen über das Machwerk eines Schwerverbrechers geführt werden sollen, der mit der Hilfe einflussreicher Kreise an die Macht kam, die vom 2. Weltkrieg und vom Massenmord profitierten? Dazu hätte ich in der gestrigen Talkshow gern die Meinung von Schülerinnen und Schülern aus Isreal und Deutschland gehört. Von einer Hypothek, die man nie wieder los werden kann, wäre da wohl nicht die Rede gewesen.
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