In einem andern Land
24. Januar 1969 |
Antworteten Politiker noch mit persönlichen Briefen
"In einem andern Land" heißt ein Roman von Ernest Hemingway, der 1929 erschienen ist. 40 Jahre später schrieb mir Willy Brandt einen persönlichen Brief, weil ich ihm als Schüler Fragen gestellt hatte. Für seine Antworten benötigte er nur wenige Tage. Damals war er Vizekanzler und Bundesaußenminister.
Heute ist alles schneller geworden. Nur die Politiker nicht. Bereits vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten habe ich Joachim Gauck meine Broschüre "Zerstreutes Wohnen - Ratgeber für alle ab 70" geschickt. Dafür bedankte er sich bis heute nicht. Auch Stephan Weil, der nächstes Jahr Ministerpräsident von Niedersachsen werden will und nicht wird, raffte sich zu keiner Antwort auf, als meine Broschüre "Ein anderer deutscher Herbst" über die Wendejahre in Hannover und Leipzig auf seinem Schreibtisch gelandet war. Oder hat ihm eine Putzfrau, die morgens das Rathaus der niedersächsischen Landeshauptstadt sauber macht, die Lektüre vor der Oberbürgermeister-Nase weggeschnappt?
Erhard Eppler 10. Mai 1982 |
1982 erschien eine fiktive Reportage von mir, in der ich Erhard Eppler zum Bundeskanzler machte. Als solcher unterschrieb er 1990 einen Einigungsvertrag mit der DDR. Die Broschüre, in der diese fiktive Reportage vom Werkkreis Literatur der Arbeitswelt herausgegeben worden war, schickte ich ihm. Eppler antwortete handschriftlich und teilte mir mit, dass er irgendwann einmal Kanzler werde, habe ihm gerade noch gefehlt.
Johannes Rau 29. August 1986 |
1986 kam mit "Streichelnde Worte" mein erster Roman auf den Buchmarkt. Dazu ließ sich der Verlag den folgenden Umschlagtext einfallen: "´Streichelnde Worte´ ist ein Roman aus der Gegenwart. Seine Themen sind Dummheit, Phantasielosigkeit, Abhängigkeit, Korruption, Machtmißbrauch, Gewalt, Liebe, Zärtlichkeit und Prostitution. Der Autor schreibt über eine Generation, die ihren eigenen Weg sucht, scheitert und weitermacht." Johannes Rau fand diese Lektüre anregend, sie habe ihm einen anderen Blick auf den Alltag gewährt, der ihm wichtig sei. Damals war er Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, 1987 Kanzlerkandidat der SPD.
Heute dagegen wird getwittert, Bundeskanzlerin Angela Merkel beantwortet im Netz ausgewählte Fragen, bei Facebook veröffentlichen Politiker vorgefertigte Texte, der Gedankenaustausch endet, wo sich Wählerinnen und Wähler eigene Gedanken machen. Hauptsache, viele klicken "I like" an. Irgendwann kommt vielleicht auch noch "I vote for you" hinzu. Aber noch sind die Piraten keine Regierungspartei...
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